Landtag MV im Schweriner Schloss (Bildnachweis)
Vierfünftelmehrheit
Mecklenburg-Vorpommern (MV) liegt bundesweit (mit Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen) an der Spitze der Bundesländer mit dem höchsten Anteil an Konfessionsfreien. Rund 84 Prozent der Bevölkerung sind konfessionsfrei oder gehören kleinen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften an. Das ist weit mehr als eine Zweidrittelmehrheit, mit der in unserem Land politisch viel bewegt werden kann. Es ist eine Vierfünftelmehrheit.
Die Gesellschaft hat sich verändert. Von der Reichsgründung im Jahr 1871 bis heute ist der Anteil der evangelischen und katholischen Kirchenmitglieder von damals 99 Prozent auf heute 16 Prozent der Bevölkerung gesunken, wie eine Auswertung der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) zeigt. Allein in den letzten drei Jahrzehnten seit der Deutschen Einheit ist der Bevölkerungsanteil der Kirchenmitglieder auf niedrigem Niveau um weitere 40 Prozent gesunken. Dennoch ist zu beobachten, dass das Land MV den Kirchen auch heute noch viele Sonderrechte und Subventionen gewährt, und sie teilweise sogar anwachsen lässt, statt sie abzubauen. Aber es gibt Bemühungen in Politik und Verwaltung – und auch in den Kirchen – das Staat-Kirche-Verhältnis den heutigen gesellschaftlichen Realitäten anzupassen. Diese Bemühungen möchte Säkulares MV mit Aufklärung und Gesprächen unterstützen.
Agenda
Für das Land MV und sämtliche Staatlichkeit in Deutschland gilt: Die Trennung zwischen der politischen und der religiösen Macht als Institutionen – Staat und Kirche – ist der Verfassungsauftrag seit 1919 („Es besteht keine Staatskirche.“). Der Staat darf keine Religionsfinanzierung und keine Religionsförderung betreiben. Religionsvertreter sollen keine staatlichen Aufgaben und Staatsvertreter keine religiösen Aufgaben übernehmen. Es gelten die drei Grundsätze der i) Religions- und Weltanschauungsfreiheit, ii) Trennung von Staat und Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und iii) deren Selbstverwaltungsrecht (innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes). Der Staat darf sich nicht mit einer Religion identifizieren, sondern er hält Äquidistanz. Er ist säkular. Er ist neutral gegenüber allen.
Wir stellen jedoch fest, dass es heute noch zahlreiche religiöse Privilegien, Ungleichbehandlungen, Sonderrechte und Subventionen gibt. Es handelt sich um ein kaum überschaubares Bündel an Kirchenprivilegien. Zur Erklärung dieser Auswüchse wurde der Begriff Kirchenrepublik Deutschland geprägt. Sie haben alle gemein, dass sie übergriffig sind und in unserer Gesellschaft manche über andere stellen. Und sie kosten die Öffentlichkeit Geld, das in anderen Politikfeldern fehlt. Bei der heutigen Vierfünftelmehrheit von Konfessionsfreien in MV ist es an der Zeit für einen konsequenten Abbau dieser Auswüchse. Das meinen wir mit der Botschaft: Privilegien beenden.
Was wir diskutieren, orientiert sich am Grundgesetz und dem Gemeinwohl. Es ist keine Kampfansage an die Kirchen und schon gar nicht an gläubige Christen. Wir wissen, in den Kirchen in MV (sei es in der evangelischen Nordkirche oder den katholischen Erzbistümern Hamburg und Berlin – und in den Freikirchen ohnehin) gibt es viele Menschen, die in ihrer Religion frei sein wollen und die Dinge in unserem Staat so konsequent säkular geregelt sehen wollen wie wir. Auch sie wollen in einem Land leben, in dem niemand aufgrund seines Glaubens oder Nicht-Glaubens privilegiert oder diskriminiert wird. Wir sprechen daher auch mit aufgeschlossenen Kirchenmitgliedern, richten uns jedoch mit Vorschlägen eher nicht an die Kirchen, sondern vielmehr an die Politik. Denn es ist die Aufgabe des Staates und vor allem der Abgeordneten im Landtag, sich für Reformen und eine Modernisierung von heutzutage unhaltbaren Gesetzen, Vorschriften und den Abbau von Steuertransfers einzusetzen. Diese säkulare Haltung ist nicht nur in Bezug auf die althergebrachten Ansprüche der Kirchen wichtig, sondern auch um sich in der Phase der aktuellen religiösen Pluralisierung in Folge von Migrationsbewegungen den neuen Ansprüchen anderer Religionsfunktionäre und ihrer Lobbyvertreter entgegenzustellen. Das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes setzt den Rahmen für die Politik: Wer nicht will, dass beispielsweise Islamverbände und Moscheegemeinden in die Lage versetzt werden, religiöse Sonderrechte und Subventionen zu beanspruchen oder sie vor Gericht erfolgreich einzuklagen, darf all das heute auch den christlichen Kirchen nicht mehr einräumen. Weder eine Ungleichbehandlung, noch eine Ausweitung von Sonderrechten und Subventionen auf andere Religionen sind gut für das gesellschaftliche Miteinander. Wir sagen: Mehr säkulare Politik stärkt die Demokratie (und die öffentlichen Finanzen).
Uns bewegt die gesamte Bandbreite an säkularen Themen, z. B. die gleiche Teilhabe von Konfessionsfreien, die Beendigung von religiöser Diskriminierung (bspw. im kirchlichen Sonderarbeitsrecht), die Trennung und finanzielle Entflechtung von Staat und Kirche oder die Bedrohungssituation von Atheisten und Ex-Muslimen in Flüchtlingseinrichtungen in MV.
Eine kurze Auswahl der Sachverhalte mit weiterführenden Links (in alphabetischer Reihenfolge): Arbeitsrecht, Besoldung von Geistlichen, finanzielle Vergünstigungen, Kirchensteuerrecht, Kirchenlohnsteuer, Staatsämter, Militärseelsorge, Religionsförderung, Religionsunterricht, Staatsleistungen, Staatskirchenverträge, Theologische Fakultäten.
Aktuelles
3. Oktober 2024: Um 17.00 Uhr laden wir herzlich alle Interessierten zum Netzwerken ein. Es gibt auf dem Bürgerfest vom 2. bis 4. Oktober weitere Angebote. Die Themenübersicht (hier) reicht von der Vorstellung des Zentralrates der Konfessionsfreien „Wir sind die NGO für säkulare Politik in Deutschland“ über die „Modernisierung der Religions- und Weltanschauungspolitik in unserer zunehmend säkularen Gesellschaft” und "Schulen als neutrale Orte stärken: Bekenntnisfreie Schulen ohne Reli" bis hin zu "Schutz für Ex-Muslime – Bedrohungen durch Islamisten in Asylverfahren stoppen" und "Religion und Steuergelder. Milliarden-Sparpotenziale für die öffentlichen Haushalte".
8. April 2024: Lesung & Diskussion mit Helmut Ortner in Schwerin „Das klerikale Kartell – Warum die Trennung von Staat und Kirche überfällig ist“, moderiert von Gerhard Lein, Gründungsvorstand des Arbeitskreises Säkularität und Humanismus in der SPD.
Kontakt
Säkulares MV ist ein Netzwerk. Interessenten können sich zu ausgewählten Themen für Gespräche und Projekte zusammenfinden.
Kontakt: Lutz Neumann
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Hinweis: Wir bearbeiten landespolitische und kommunalpolitische Themen in MV. Für bundespolitische Themen empfehlen wir den Kontakt zum Zentralrat der Konfessionsfreien: konfessionsfrei.de